Eine Seele ging auf Wanderschaft. Sie wollte jenen Raum erkunden, den die Menschen Welt nennen. Jenen Raum, in dem man die Materie spürt und selbst zu Materie wird. Also verdichtete sich die Seele. Aus Geist wurde Dampf. Und weil sie in solchen Dingen noch nicht sehr geübt war, wurde sie gleich zur dichten Wolke. Klein zwar, aber pechrabenschwarz. Ebenso schwarz war der Schatten den sie warf und welcher sie stets begleitete wenn sie sich der Sonne aussetzte. Dies gefiel ihr weniger und so versuchte sie, das Sonnenlicht durchscheinen zu lassen um den Schatten zu mindern. Derart verdünnte sie sich, der dicke Wolkendampf wurde zunehmend zum feinen Schleier, der Schatten wurde schwächer. Also wandte sie sich erleichtert anderen Dingen zu. Doch ihr Schatten war nicht weg, vielmehr war er zwar undeutlicher, dafür aber riesengross geworden und fühlte sich vernachlässigt.
So zog das lichte Wölklein durch jenen Raum und jene Zeit, welche die Menschen Welt nennen. Es nahm diese Welt mit all seinen Sinnen wahr und erfreute sich ihrer.
Doch jederzeit wurde es von seinem Schatten begleitet, welcher ihm leise aber unerhört zuflüsterte: „Ich bin ein Teil von Dir, deine dunkle Seite, ohne die deine helle Seite nicht wäre.“
Eines Tages weilte das Wölklein an einem besonderen Ort der Stille und wurde anderer Wölklein gewahr, welche weitaus dichter waren als es selbst und somit deutliche Schatten warfen, jedes genau nach seiner Eigenart. Gleichzeitig hörte es das Flüstern seines eigenen Schattens.
Es versuchte mit ihm Verbindung aufzunehmen, doch das fiel nicht leicht, war es doch selbst so luftig und der Schatten so fein.
So besann es sich seines Zustandes und empfand auf einmal eine Lust, sich dieser Welt der Materie weiter zu nähern, sich zu verdichten und in Verbindung zu gehen.
Und wie es dies tat, wurde auch sein Schatten wieder etwas dunkler. Die Lust nahm zu und der Schatten verdeutlichte sich weiter. Doch noch immer war das Wölklein bloss Wasserdampf und somit durchscheinend. Gerne hätte es seinen Schatten noch besser gesehen.
Bei diesem Bestreben geschah etwas Überraschendes, Neues. In seinem Inneren kondensierten winzige kleine Wassertröpfchen. Sie wurden immer zahlreicher und flossen letztlich zusammen zu einem einzigen Tropfen. Doch da es nur ein ganz kleines Wölklein war, reichte es auch nur für ein ganz kleines Tröpfchen. Trotzdem oder vielmehr deshalb wurde es seiner Wohlgestalt bewusst und empfand Glück dabei. Sein Schatten war nun überdeutlich, begrenzt und umrahmt von den reichen Farben des Sonnenlichts, welches sich in ihm brach.
Des Tröpfchens Glück wuchs, es wehrte sich nicht mehr, als aus dem Schweben ein Fallen wurde, hinein in diese Welt.
Und wie es so fiel ward es gewahr, dass es auf seinen Schatten zufiel.
Gleichsam hin zur Vereinigung.